„Wie Personalgewinnung zum POSITIVE BUSINESS wird.“
Von Brigitte Herrmann
Im Dezember letzten Jahres erschien das Xing New Work Trendbook mit interessanten Trends und Aspekten zur umfangreichen digitalen Transformation unserer Arbeitswelt. Mit dabei, wie sollte es anders sein, der Trend Robo-Recruiting. Demnach rechnen 19 Prozent der befragten Personaler sogar damit, dass in 15 Jahren alle wesentlichen Schritte im Recruiting bis hin zur finalen Entscheidung auf Basis künstlicher Intelligenz stattfinden. Bleiben wir also gespannt.
Fakt ist: auf allen Ebenen der Personalgewinnung gibt es richtig viel zu tun. Fakt ist auch: daraus resultieren gerade jetzt am Jahresanfang ein Meer an Recruiting-Empfehlungen und gigantische Aufgabenpakete, die es in HR zu bewältigen gilt. Ob Active Sourcing, Personalmarketing, Prozessdigitalisierung, Digitale Recruiting-Tools und ganz vorne natürlich auch KI in all ihren Facetten. Durch das Wecken all dieser Begehrlichkeiten – übrigens eine klassische Marketingstrategie an der viele Dienstleister sehr gut verdienen – beginnt für Recruiter und Personalentscheider so langsam ein Leben zwischen Wunsch und Wahnsinn. Dem Wunsch, gern überall ganz vorne mit dabei zu sein, und dem Wahnsinn, wie und ob das überhaupt zu schaffen ist. Offen bleibt jedoch die Frage: Wer macht“s?
Recruiter und Führungskräfte sind auch Menschen
Und als wäre das noch nicht genug, geht es auch der Recruiter-Rolle (in puncto Personalauswahl übrigens auch der Führungskräfte-Rolle) mächtig an den Kragen. „Raus aus der jahrzehntelang gemütlich eingerichteten Komfortzone“ ist das Motto. Recruiter und Personalentscheider sind künftig nicht mehr nur Menschenfreunde und Beziehungsmanager, sondern auch Active Sourcer, Social Networker, Digital Recruiter, Contentmanager, Storyteller, Creativworker, Markenbotschafter und brauchen last but not least auch noch ihren eigenen Brand um auf dem Arbeitnehmermarkt unverkennbar zu werden. Das macht wirklich Laune!
Doch die vielseitigen und in vielen Teilen richtigen und wichtigen Ansätze lassen bei all diesen Perspektiven einen ganz elementaren Faktor außer Acht. Denn es gilt nicht zu ermitteln, wer im heutigen Recruiting-Team eine der neuen Rollen einnehmen kann, sondern vor allem, welches Teammitglied eine bestimmte Rolle einnehmen will und damit auch seine eigenen Stärken einsetzen und Potenziale bestmöglich entfalten kann. Somit zählen nicht nur Kompetenzen, sondern die Natur des Menschen – auch die des Recruiters – muss deutlich mehr in den Fokus rücken.
Positive… was?
Gerade in Zeiten, in denen große Transformationen unserer Arbeitswelt anstehen, in der sich Arbeitgeber zukunftsfähig aufstellen müssen und Arbeitnehmer eine neue Form der Selbstverantwortung übernehmen werden, sollte die Frage gestellt werden: „Was befähigt Menschen und damit auch Organisationen dazu, sich bestmöglich zu entfalten und zu entwickeln?“ Schließlich verlangt die Arbeitswelt der Zukunft im weitesten Sinne die von Carl Rogers beschriebenen „fully functioning persons“. Hierbei geht es mal nicht um Digitalisierung, sondern ganz analog um etwas viel Wichtigeres: den Menschen und das klar fokussierte Erkennen und Realisieren seiner individuellen Stärken und Potenziale.
Das ist auf den ersten Blick ja nichts Neues, scheint es doch das „daily business“ von Personalgewinnern und -entwicklern zu sein. Oder etwa doch? Nutzen Personaler wirklich eine strukturierte und systemisch ausgerichtete Methode, die zudem auf fundierten wissenschaftlichen Füßen steht, um ganz fokussiert die positiven persönlichen Eigenschaften – die Charakterstärken eines Menschen – zu ermitteln? Nach wie vor ist das eher noch die Seltenheit, obwohl dieser Ansatz gerade für Individuen wie auch für Organisationen jeglicher Größenordnung enorm viele Chancen bietet.
Die Rede ist von dem Ansatz der Positiven Psychologie. Jetzt nicht gleich erschrecken! Denn um eines gleich vorwegzunehmen, hier geht es keinesfalls – wie oft falscherweise vermutet – um Positives Denken, Zwangsoptimismus, Esoterik, dem Sitzen auf der rosaroten Wolke, tschakka-tschakka oder – wie unlängst von einem Berliner Politologen unterstellt – sogar um einen (politisch) ideologisch ausgerichteten Ansatz. Das alles ist schlicht und einfach falsch!
Vielmehr ist die Positive Psychologie eine Ergänzung der klassischen wissenschaftlichen Psychologie, die statt der – auch im Recruiting oftmals praktizierten – defizitären Sicht auf die Dinge, den Blick insgesamt auf das richtet, was bereits gut ist und daher weiterentwickelt werden kann. Sie richtet ihren Fokus auf die Stärken, ignoriert dabei jedoch in keiner Weise mögliche Schwächen oder Probleme. Vielmehr ordnet sie diese durch ihre Perspektive anders ein. Die Positive Psychologie ist im weitesten Sinne die Wissenschaft vom glücklichen Leben und Arbeiten und wurde maßgeblich von Martin Seligman weiterentwickelt. Im Mittelpunkt stehen das psychologische Wohlbefinden des Einzelnen und die daraus resultierende positive Entwicklung von Individuen, Organisationen und auch Gesellschaften. Untersucht werden nicht nur die positiven Persönlichkeitseigenschaften als Charakterstärken, sondern auch beispielsweise das positive Erleben und das Gestalten von Arbeitskontexten im Sinne der Mensch-Computer-Interaktion. Wenn das mal keine Zukunft hat!
Wer die Zukunft positiv gestalten will, beginnt jetzt!
Obwohl die Positive Psychologie eine recht junge Forschung ist, etabliert sie sich bereits seit Jahren mehr und mehr in der Unternehmenswelt, beispielsweise im Kontext von Positive Leadership. Wie erfolgreich dieser Gesamtansatz „Positive Business“ ist, zeigen bereits prominente Best Practice-Beispiele wie der Hotelbetreiber Upstalsboom und die Sparda Bank München.
5 Job Crafting-Tipps
Job Crafting bedeutet, dass man die eigenen Aufgabenfelder im Job so proaktiv umgestaltet, dass wir die eigene Arbeit als passender, erfüllender und sinnvoller empfinden und mit den eigenen Zielen und dem Unternehmenszielen besser im Einklang sind. Die folgenden 5 Tipps helfen beim Umsetzen:
1. Der Start des Job Crafting basiert immer auf Eigeninitiative. Schärfen Sie Ihre Sensoren für die Arten von Tätigkeiten, die Ihnen leicht fallen und welche Sie als erfüllend und sinnhaft erleben.
2. Überlegen Sie, ob es auch einzelne Arbeitsbeziehungen oder möglicherweise Ihre eigene Haltung sein könnten, die Sie an der Entfaltung Ihres wahren Potenzials hindern.
3. Ermitteln Sie Ihre individuellen Stärken, indem Sie den roten Faden Ihrer Erfolge erkennen und Menschen in Ihrem Umfeld befragen, was diese an Ihnen besonders schätzen.
4. Reflektieren Sie, inwieweit Sie Ihre Stärken beruflich schon jetzt gut nutzen können. Je mehr Stärken Sie täglich einsetzen können, umso besser passt Ihr Job zu Ihnen.
5. Entwickeln Sie als Letztes konkrete Ideen, wie Sie die Passung Ihres Aufgabengebietes im Hinblick auf Ihre Stärken und Interessen verbessern können.
Das Wichtigste: Überzeugen Sie Ihren Chef und Ihre Kollegen mit klaren Argumenten, warum sich Job Crafting im Sinne aller Beteiligten lohnen kann.
Mehr Infos unter https://www.brigitte-herrmann.de/.
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