Am 2. September lud die Heinz Sielmann Stiftung zum zweiten Wildbienensymposium in das Berliner Umweltforum ein. Wissenschaftler stellen in Ihren Vorträgen zum Schutz der Wildbienen in Deutschland klar, dass es wirksame Lösungsansätze bekannt sind. Nun sei die Politik in der Verantwortung diese auf nationaler und internationaler Ebene umzusetzen. Allerdings stimmte Deutschlands beispielsweise bisher gegen die Novellierung der europäischen Bienenrichtlinie, die die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln regelt.
+++ Schulterschluss zwischen Landwirtschaft und Naturschutz möglich +++
Wirtschaft, Konsumenten, Zivilgesellschaft und Politik müssen unverzüglich Verantwortung übernehmen und handeln um Wildbienen zu schützen und den Rückgang der biologischen Vielfalt zu stoppen. Der Sielmann-Dialog im Rahmen des Wildbienensymposiums 2020 gab Experten eine Bühne. Dr. Karin Stein-Bachinger vom Leibniz-Institut für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg präsentierte Ergebnisse einer Vergleichsstudie zum Einfluss der ökologischen und der konventionellen Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt. Sie berät Landnutzer und entwickelt konkrete Lösungen für ein Miteinander von Nutzung und Natur. An ihrem Institut entwickelte sie einen konkreten Maßnahmenkatalog für Landwirte, um die Bewirtschaftung naturverträglicher zu gestalten. „60 % der Leistungen, die die Natur für uns Menschen erbringt, sind durch die Art und Weise der Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt. Unser Maßnahmenkatalog zeigt, wie man dem entgegenwirken kann und trotzdem einen profitablen Landwirtschaftsbetrieb führt“, erklärte Stein-Bachinger im Rahmen der Diskussion. Auf die Nachfrage, ob dieser Katalog Vorlage für die Umgestaltung der europäischen Agrarsubventionspolitik sein kann, antwortete die Wissenschaftlerin: „Ja, das ist möglich. Die Lösungen sind bekannt, nun ist die Politik gefragt, die Umsetzung zu unterstützen. Hier sehen wir deutliche Parallelen zur Klimaschutzdebatte“.
+++ Deutschland blockiert Neureglung der europäischen Bienenrichtlinie +++
Ebenfalls auf dem Podium saß Jan Hellberg von der aurelia Stiftung. Der Wildbienenexperte beleuchtet die politische Dimension des Themas Wildbienenschutz. Seit 2002 stockt die Novellierung der europäischen Bienenrichtlinie im EU-Parlament. Die Richtline regelt die Zulassungspraxis für Pflanzenschutzmittel. Zurzeit werde nur auf das tödliche Risiko für Honigbienen vor der Zulassung getestet. Tests an Wildbienenarten oder unter Realbedingungen sind nicht vorgesehen. Dabei ist schon lange bekannt, dass Pflanzenschutzmittel zu Orientierungsstörungen und Beeinträchtigungen der Fortpflanzung bei betäubenden Insekten führen. Bisher stimmten auch die Vertreter Deutschlands gegen die wildbienenfreundliche Neufassung der Bienenrichtlinie. „Dabei häufen sich die Signale aus der Landwirtschaft, dass der Sektor Teil der Lösung der Biodiversitätskrise sein möchte“, führt Jan Hellberg aus. Die Politik müsse sich fragen lassen, warum hier weiterhin keine Fortschritte gemacht werden, obwohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse für diese Prozesse vorliegen. „Deutschland hätte immerhin die Möglichkeit national strengere Richtlinien anzuwenden“, so Hellberg weiter.
+++ Der Griff in das Supermarktregal entscheidet über Leben und Tod +++
Ole Müggenburg, Pressesprecher des Getränkeherstellers Voelkel, berichtet aus der Praxis eines Betriebs, der landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitet und in den Handel bringt. Der Fokus des Saftherstellers liegt dabei auf der Befähigung der Zulieferer hochwertige Bioprodukte zu erzeugen. „Dadurch sind unsere Produkte glaubwürdig. Der Konsument honoriert das mit seinem Einkauf. Mit dem Griff in das Supermarktregal entscheidet sich der Kunde für ein Produkt, dass entweder biologische Vielfalt fördert oder sie zerstört“, erklärt Müggenburg im Vortrag. Konventionell hergestellte Produkte, die durch ihre intensive Erzeugung höhere Gemeinkosten verursachen, seien aber günstiger, als jene, die Gemeinkosten vermeiden, da sie Ressourcen schützen statt sie zu verbrauchen. „Dieses Paradox lässt sich nur durch eine angepasste Subventionspolitik auflösen. Biodiversität ist etwas, dass Landwirte erzeugen und erhalten, auch für dieses Produkt müssen sie entlohnt werden. Schädliche Produktionsmuster hingegen sollten sanktioniert werden“, erläutert Müggenburg weiter.
+++ Frau Klöckner, handeln Sie jetzt! +++
Aus der Landwirtschaft werden zahlreiche Signale gesendet, die ein Umdenken in Sachen Insektenschutz ermöglichen. Die Branche möchte Teil der Lösung und nicht Verursacher eines Problems sein. Diese Signale muss Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner endlich ernst nehmen. Die Teilnehmer des Wildbienensymposiums 2020 der Heinz Sielmann Stiftung fordern die Bundeslandwirtschaftsministerin eindringlich dazu auf, das vorhandene Wissen und gute Beispiele durch eine angepasste Subventionspolitik endlich flächendeckend umsetzbar zu machen. Dr. Hannes Petrischak, Bereichsleiter und Wildbienenexperte bei der Stiftung, sagt dazu: „Wir wissen genug um handeln zu können. Wir haben keine Zeit mehr um zögerlich zu sein. Ohne ein radikales Umdenken der politischen Entscheider werden Wildbienen und mit ihnen die gesamte biologische Vielfalt weiter dramatisch zurückgehen. Allen Bürgerinnen und Bürgern stehen neben den eigenen Konsum-Entscheidungen vielfältige demokratische Mittel zur Verfügung. Wenden Sie sich an Ihre Landtags- oder Bundestagsabgeordneten und fragen Sie, was er oder sie für den Schutz der Insekten tut. Gemeinsam müssen wir die Anwälte der heimischen Vielfalt sein.“
+++ Hintergrund +++
Die Heinz Sielmann Stiftung wurde 1994 von Prof. Heinz Sielmann und seiner Frau Inge Sielmann gegründet. Die Arbeitsschwerpunkte sind der Erhalt der Artenvielfalt, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Naturschutz und die Bewahrung des filmischen Erbes von Naturfilmpionier Heinz Sielmann. Im Jahr 2019 fand das erste Wildbienensymposium in Hannover statt. Dort zeichneten Experten ein düsteres Bild. Über die Hälfte der Wildbienenarten wird in einer der Gefährdungskategorien der Roten Liste geführt. Selbst in Schutzgebieten gehen die Artenzahlen und die Biomasse kontinuierlich zurück. Fazit des ersten Symposiums war, dass nun die konkreten Lösungen für eine Kehrtwende vorgestellt werden müssen. Mit der zweiten Veranstaltung zum Thema Wildbienen ist die Heinz Sielmann Stiftung diesem Auftrag nachgekommen.
Weitere Informationen:
https://www.sielmann-stiftung.de
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